Erzieherin Simone Lorenz räumt einen Malstift in einen Korb auf einem Tisch.

Schritt für Schritt zurück ins Leben BGW magazin - 4/2023

Während der SARS-CoV-2-Pandemie infizierten sich viele BGW-Versicherte bei ihrer Arbeit und erkrankten an Covid-19. Die meisten mit einem leichten Verlauf, aber nicht alle. Bei schweren, lang­dauernden Folgen einer Berufskrankheit erhalten Versicherte von der BGW intensive individuelle Unterstützung. Zwei Beispiele.

Die Kita-Kinder sind schon alle abgeholt, Simone Lorenz räumt noch den Maltisch in der Halle auf. Die 26-jährige Erzieherin ist froh, dass sie wieder arbeiten kann. Im Sommer 2021 hatte sie sich bei ihrer Tätigkeit in einer Kindertagesstätte mit SARS-CoV-2 angesteckt und war an Covid-19 erkrankt. Damals ahnte sie noch nicht, dass über 15 Monate Arbeitsunfähigkeit folgen würden.

Erst dachte ich, es sei nur eine Erkältung, berichtet Lorenz. Aber dann ging es auf die Atemwege. Die Kurzatmigkeit bei Belastung hielt sich hartnäckig. An Arbeiten war nicht zu denken. Ich konnte kaum eine Treppe steigen, erinnert sie sich.

Fünf Monate nach der Infektion startet die Erzieherin einen ersten Versuch, in den Berufsalltag zurückzukehren. Doch bereits nach wenigen Tagen muss sie abbrechen. Erschöpfung und Luftnot sind noch zu groß.

Post-Covid-Programm

Simone Lorenz bei der Physiotherapie - sie steht und hat die Arme schulterbreit nach vorne ausgestreckt und hält ein Theraband stramm zwischen den Händen.

Auch Physiotherapie gehört mit zur Reha.

Komplexere Hilfe muss her. Dafür wird Lorenz bei der BGW ins "Post-Covid-Programm" aufgenommen: ein gezieltes medizinisches Maßnahmenpaket, das die BGW zusammen mit den BG Kliniken entwickelt hat – für Versicherte, die länger­fristig an den Folgen einer berufsbedingten Covid-19-Erkrankung leiden. Das Programm reicht von der Beratung und Diagnostik bis hin zu stationärer Rehabilitation und ambulanter Nachbetreuung. Weil die Folgen einer Covid-19-Erkrankung sehr vielfältig sein können, arbeiten verschiedene klinische Fachbereiche zusammen – beispielsweise Pneumologie, Kardiologie, Neurologie und Psychologie.

Nach einer umfassenden Diagnostik im sogenannten Post-Covid-Check nimmt Simone Lorenz im Sommer 2022 an einer speziellen mehrwöchigen Reha-Maßnahme teil. Ein individuelles Behandlungsprogramm dort mit gezielten Übungen hilft, ihre Belastbarkeit spürbar zu steigern.

Die Erzieherin startet mit einer stufen­weisen Wiedereingliederung: anfangs mit täglich zwei Stunden Arbeit, dann wird es schrittweise mehr. Doch auch diese Phase verläuft nicht ganz glatt. Einmal muss sie wegen einer erneuten Corona-Infektion unterbrechen – und später noch einmal wegen Luftnot und Schmerzen. Sie erhält während der gesamten Zeit durchgehend Verletztengeld von der BGW. Im Dezember 2022 ist es dann endlich so weit: Lorenz ist wieder arbeitsfähig.

Persönliches Reha-Management

Simone Lorenz und Rehaberaterin Tineke Jülicher sitzen an einem Tisch und unterhalten sich.

Bei ihrer Rehabilitation wird Simone Lorenz (links) von Reha-Managerin Tineke Jülicher begleitet.

Begleitet wird sie bei ihrer Rehabilitation von Tineke Jülicher, Reha-Managerin bei der BGW. Wir schauen individuell, was die erkrankten Versicherten brauchen, erklärt Jülicher. Dabei geht es zum einen um eine erfolgreiche Heilbehandlung. Aber möglicherweise braucht es währenddessen auch Unterstützung zu Hause, fügt die Reha-Managerin hinzu. Viele Betroffene benötigen außerdem Unterstützung bei der Wiedereingliederung ins berufliche und soziale Leben. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die persönliche Betreuung durch eine feste Ansprechperson.

Die Reha durch die BGW geht bei Bedarf auch nach der Wiedereingliederung ins Berufsleben weiter. Simone Lorenz beispielsweise erhält zur Behandlung ihrer Berufskrankheit weiterhin Medikamente ohne Zuzahlung sowie Physiotherapie und Atemtherapie über die BGW.

Wir schauen individuell, was die erkrankten Versicherten brauchen.

Simone Lorenz und Rehaberaterin Tineke Jülicher sitzen an einem Tisch und unterhalten sich.
Tineke Jülicher, BGW
Reha-Managerin

Vom Beginn der Pandemie bis zum August 2023 verzeichnete die BGW zu Covid-19 als Berufskrankheit

  • 410.096 meldepflichtige Verdachtsanzeigen,
  • 395.589 entschiedene Fälle, 
  • 270.352 anerkannte Fälle,
  • 4.069 Fälle mit Reha-Management (rund 1,5 Prozent der an­erkannten Fälle).

Direkt auf die Intensivstation

Auch Volker Weitzel wurde durch eine berufsbedingte Covid-19-Erkrankung aus der Bahn geworfen. Der Pfleger hatte sich im Dezember 2020 bei der Arbeit in einer Klinik infiziert. Kurz darauf kam er mit Lungenentzündung und Multiorganversagen selbst ins Krankenhaus – direkt auf die Intensivstation. Monatelang musste er beatmet werden.

Juli 2021: Weitzel kann das Krankenhaus verlassen. Das erste persönliche Beratungsgespräch mit seiner Reha-Managerin Theresa Sauer von der BGW findet bei ihm zu Hause am Pflegebett statt. Er kann erst wieder einzelne Schritte am Gehstock machen, nutzt ansonsten einen Rollstuhl, muss sich schon nach zehn Minuten wieder hinlegen.

Im Reha-Management geht es zunächst darum, die Situation zu erfassen, zu schauen, was Weitzel nun braucht, ihn sozialrechtlich und im Hinblick auf die Reha zu beraten. Die Wohnung ist bereits rollstuhlgeeignet. Die Pflege übernimmt die Familie, dafür gibt es Pflegegeld von der BGW, außerdem verschiedene Hilfsmittel und Verletztengeld.

Ganz wichtig ist eine positive psychische Haltung.

Porträt: Volker Weitzel
Volker Weitzel

Mobile ambulante Reha

Ende August 2021 startet für Volker Weitzel eine spezielle „mobile ambulante Reha“: interdisziplinär gebündelt per Hausbesuch, fünfmal wöchentlich Krankengymnastik, Ergotherapie und Logopädie. Weitzel zieht motiviert mit, kämpft sich jeden Tag aus dem Bett und aus dem Rollstuhl.

Viel Geduld gefragt

Volker Weitzel spricht mit Rehaberaterin Theresa Sauer

Volker Weitzel bleibt optimistisch – und freut sich über die Unterstützung durch Reha-Managerin Theresa Sauer

Es geht langsam bergauf. Doch Volker Weitzel muss immer wieder Rückschläge verkraften: Irgendwann ist klar, dass er infolge der Covid-19-Erkrankung eine neue Leber braucht, wieder und wieder kommt er zwischendurch ins Krankenhaus.

Im Sommer 2023, eineinhalb Jahre nach Beginn der Erkrankung, leidet er immer noch an wiederkehrenden Schmerzen, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen. Seine körperliche Belastbarkeit hat sich bereits deutlich verbessert. Er fährt inzwischen selbstständig zur Physiotherapie, trainiert jeden Tag zu Hause und wartet immer noch auf eine Spenderleber.

Ganz wichtig ist eine positive psychische Haltung, erklärt er. Und man muss auch Dinge wagen und sich täglich selbst körperlich fordern. Trotz aller Rückschläge hat er sein persönliches Ziel vor Augen: zurück ins Berufsleben. Reha-Managerin Theresa Sauer skizziert schon mal, wie es diesbezüglich weitergehen kann: Wenn Herr Weitzel sich gesundheitlich in der Lage sieht, wieder stundenweise ins Berufsleben zurückzukehren, könnte ich mir vorstellen, dass wir als nächsten Schritt ein gemeinsames Gespräch mit dem Arbeitgeber vereinbaren. Ziel ist dann, einen passenden Arbeitsplatz zu finden oder zu schaffen. Je nach Situation unterstützt die BGW auch den Betrieb, der die Wiedereingliederung ermöglicht.
 

Covid-19 als Berufskrankheit

Die Erkrankung von Versicherten an Covid-19 infolge einer nachweislich beruflich erworbenen Infektion wird als Berufskrankheit anerkannt, soweit dafür die rechtlichen Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen. Eine Anerkennung kommt bei Personen in Betracht, die im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder duch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße ausgesetzt werden.

Von: Sandra Bieler