Die Produkttests finden unter Laborbedingungen statt: Fachleute begutachten und bewerten die Handhabung der Sicherheitsgeräte durch medizinisches Fachpersonal.
Sichere Produkte helfen, Nadelstichverletzungen zu verhindern. In vergleichenden Tests hat die BGW Venenverweilkanülen, Blutentnahmesysteme und Abwurfbehälter unter die Lupe nehmen lassen. Sowohl Beschäftigte, die im Arbeitsalltag solche Produkte anwenden, als auch Fachexpertinnen und Fachexperten bewerteten die ergonomische Gestaltung. Bei einigen Produkten stießen die Fachleute auf gravierende Sicherheitsmängel.
Tag für Tag legen Beschäftigte im Gesundheitsdienst Gefäßzugänge für Infusionen und nehmen Blut für Untersuchungen ab. Dabei arbeiten sie mit spitzen Kanülen. Das birgt die Gefahr, sich versehentlich zu stechen. Kommt es zu Nadelstichverletzungen, besteht das Risiko, sich eine durch Blut übertragbare Infektionskrankheit wie Hepatitis B, Hepatitis C oder HIV zuzuziehen.
Um Nadelstichverletzungen zu verhindern, fordert die Technische Regel für biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen (TRBA 250) den Einsatz von Instrumenten mit Sicherheitsmechanismus, auch als "Sicherheitsgeräte" bezeichnet. Diese Sicherheitsgeräte schützen die Nadel nach dem Gebrauch durch eine Abdeckung, um Verletzungen zu vermeiden. Der Sicherheitsmechanismus kann selbstauslösend (passiv) oder mit einer Hand aktivierbar sein (aktiv). Er soll einen erneuten Gebrauch des Produkts unmöglich machen und muss haptisch, optisch oder akustisch zu erkennen sein.
Um Verletzungen zu vermeiden, müssen Sicherheitsgeräte in geeigneten Abwurfbehältern sicher entsorgt werden.
Sicher entsorgen
Unfälle ereignen sich aber nicht nur bei der direkten Anwendung an Patientinnen und Patienten. Spitze und scharfe Gegenstände müssen nach der Benutzung in sogenannten Abwurfbehältern entsorgt werden, um das Verletzungsrisiko zusätzlich zu senken.
Abwurfbehälter sind fest verschließbare Einwegbehältnisse, die durchdringfest, feuchtigkeitsbeständig und in ihrer Form, Farbe sowie Beschriftung eindeutig als Abfallbehältnisse zu erkennen sind. Um eine Überfüllung zu verhindern, muss auf dem Behälter die maximale Füllmenge deutlich gekennzeichnet sein.
Unfallrisiken auf der Spur
Trotz dieser Vorgaben registrierte die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) im Jahr 2023 rund 45.000 Stich- und Schnittverletzungen. Die Dunkelziffer liegt vermutlich höher; längst nicht jede Nadelstichverletzung wird gemeldet.
Die Gründe für Nadelstichverletzungen sind vielfältig: Unvorhersehbare Bewegungen von Patienten oder Patientinnen, Müdigkeit, der hohe Zeitdruck im Gesundheitswesen und die unsachgemäße Entsorgung der Instrumente zählen zu den Ursachen.
Die hohen Zahlen an Nadelstichverletzungen trotz vorhandener Sicherheitsmechanismen werfen jedoch auch Fragen zum Produktdesign auf: Wie benutzerfreundlich und praxistauglich sind Sicherheitsgeräte und Abwurfbehälter tatsächlich?
Um diese Fragen zu klären und Nadelstichverletzungen nachhaltig zu reduzieren, hat die BGW in drei vergleichenden Produkttests die ergonomische Gestaltung von Venenverweilkanülen, Blutentnahmesystemen und Abwurfbehältern untersucht.
Das am schlechtesten bewertete Produkt wurde aufgrund von Gestaltungsmängeln um eine Notenstufe abgewertet. Der Sicherheitsmechanismus könnte leicht abfallen oder abgenommen werden.
Passive Sicherheitsmechanismen sind aktiven Systemen überlegen
Der Test zeigt eine große Bandbreite in Bezug auf die Gestaltungsqualität der getesteten Venenverweilkanülen, mit Gesamtbewertungen von "sehr gut" bis "mangelhaft".
Immerhin 7 der getesteten 17 Sicherheitsgeräte kamen auf ein "sehr gutes" oder "gutes" Gesamtergebnis. Genauso viele Venenverweilkanülen erhielten aber aufgrund schwerwiegender Sicherheitsmängel die Note "mangelhaft" (Note: 5,0).
Drei weitere Produkte wurden aufgrund von Sicherheitsmängeln um eine Notenstufe abgewertet. Gründe für die Abwertungen bei passiven Sicherheitsmechanismen waren, dass diese nicht auslösten oder Sicherungen leicht wieder von der Kanüle entfernt werden konnten. Solche Produkte können ein falsches Sicherheitsgefühl vermitteln.
Besondere Bedenken zur Praxistauglichkeit von Venenverweilkanülen bestehen bei aktiven Sicherheitsmechanismen. Beim Testen wurde vergessen, sie zu aktivieren, oder sie wurden unbeabsichtigt zu früh ausgelöst. Beim Sichern der Nadel kam es zudem zu Blutspritzern.
Die Studie zeigt große Unterschiede in der Benutzerfreundlichkeit und Sicherheit der 20 getesteten Abwurfbehälter. Die Gesamtnoten reichen von "gut" bis hin zu "mangelhaft". Einige bergen Sicherheitsrisiken.
Elf Produkte erhielten aufgrund von Sicherheitsmängeln eine Abwertung der Noten – was bei acht der Produkte zu einer "mangelhaften" Bewertung führte. Gründe hierfür waren Deckel, die sich nicht endgültig verschließen ließen, sich bei Druck oder Stoß öffneten oder bei denen eine schwere Montage den sicheren Verschluss beeinträchtigte. Aber auch bei der Kennzeichnung von Kapazitätsgrenzen gab es Mängel.
Die Ergebnisse des Produkttests zeigen im Durchschnitt eine „ausreichende“ Bewertung für die Gestaltung der Abwurfbehälter. Besonders auffällig waren Handhabungsprobleme beim Aufsetzen des Deckels auf den Eimer sowie beim Abwerfen von Produkten wie Insulinpens.
Alle Ergebnisse im Detail und weitere Ausgaben: BGW-test
Tipps für die Produktauswahl
Die Testergebnisse zeigen, dass einige Produkte Mängel aufweisen, die potenziell zu Stichverletzungen führen können. Die BGW wird das Gespräch mit den Herstellern suchen und darauf hinwirken, dass die Produkte nachhaltig sicher gestaltet werden. Um Nadelstichverletzungen zu reduzieren, sollten Gesundheitseinrichtungen die folgenden Aspekte berücksichtigen:
Allgemein
Auf die Risiken von Nadelstichverletzungen hinweisen und Schulungen zur sicheren Anwendung und fachgerechten Entsorgung durchführen.
Sollte leicht zu öffnen sein, ohne dass die Kanüle versehentlich herausfällt.
Sollte eine ausreichende Grifffläche bieten und darf nicht zu fest sitzen, um ein einfaches Abziehen zu ermöglichen.
Sichtfenster oder ähnliche Funktionen ermöglichen sofortiges Feedback über die korrekte Lage der Kanüle. Fehlt diese Funktion, kann das die Beurteilung erschweren, was zu wiederholten Punktionsversuchen führen kann.
Hilfreich beim Fixieren und Greifen; sie sollten weder zu klein noch zu hart oder unflexibel sein.
Muss zuverlässig funktionieren und darf die Bedienung nicht behindern. Passive Mechanismen reduzieren Anwendungsfehler.
Das Punktieren einer Vene ist eine feinmotorisch anspruchsvolle Aufgabe. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass gut gestaltete Flügel dazu beitragen können, einen sicheren Griff der Venenverweilkanüle zu gewährleisten. Dies wiederum erleichtert die erfolgreiche Punktion der Vene.
Bei Venenverweilkanülen verhindert ein Rückschlagventil den Rückfluss von Blut aus der Kanüle und sorgt für mehr Sicherheit.
Abwurfbehälter
Abwurfbehälter
Der Zusammenbau sollte ohne großen Kraftaufwand möglich sein. Der Deckel sollte klar erkennbar beziehungsweise deutlich hörbar fest einrasten, sodass er nicht wieder geöffnet werden kann.
Kann durch Ausstanzungen angepasst werden.
Ermöglichen das zuverlässige und sichere Abwerfen von verschiedenen Produkten.
Ist klar erkennbar – mit farblichem Kontrast zum restlichen Behälter.
Bietet die Möglichkeit, den Behälter vorübergehend zu schließen, etwa für den Transport oder wenn er nicht genutzt wird. Dies sollte so gestaltet sein, dass ein versehentlicher Finalverschluss ausgeschlossen wird.
Ermöglicht unwiderruflichen Verschluss. Die Bedienung ist im Idealfall per Anleitung auf dem Behälter erklärt. Punkte, die eingedrückt werden müssen, um den Behälter final zu verschließen, sollten form- oder farbcodiert sein.