BGW sieht den Einsatz von Exoskeletten beim Bewegen von Menschen kritisch
Neue Technologien können dazu dienen, Arbeitsplätze noch sicherer und gesünder zu gestalten. Exoskelette sind mittlerweile in verschiedenen Bereichen der Wirtschaft im Einsatz, um Belastungen beim Heben und Tragen zu verringern und damit Schäden am Muskel-Skelett-System zu verhindern.
Wie funktionieren Exoskelette?
Exoskelette sind außen am Körper angebrachte mechanische Strukturen, die mechanisch auf den Körper einwirken. Diese am Körper getragenen Assistenzsysteme können Körperregionen überbrücken und bei Bedarf Muskelkraft verstärken.
Ein Ziel ist es, beim Heben und Halten schwerer Lasten die entsprechenden Muskelgruppen zu unterstützen, wodurch die Belastung des Muskel-Skelett-Systems verringert werden soll.
Wie ist der Einsatz von Exoskeletten beim Bewegen von Menschen im Sinne von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit zu bewerten?
Die BGW steht neuen Technologien offen gegenüber und verfolgt deren Entwicklungen. Aber sie empfiehlt im Sinne der Prävention bei dem aktuellen Kenntnisstand der Forschung den Einsatz von Exoskeletten nicht oder nur in besonderen Fällen. Es gibt mit dem Einsatz von Technischen und Kleinen Hilfsmitteln gegenwärtig bessere und wirksamere technische Maßnahmen, um Belastungen zu vermeiden oder zu reduzieren. Die Gründe dafür sieht die BGW im Folgenden.
„Gefährdung vermeiden“ hat Vorrang vor „Gefährdung vermindern“
Mit Exoskeletten wird „Heben“ nicht vermieden, wie es der Präventionsansatz der BGW fordert, sondern eher gefördert. Es wird „gehoben“, obwohl dies mit anderen Maßnahmen (z. B. dem Einsatz von Technischen oder Kleinen Hilfsmitteln) vermeidbar wäre. Die „Kraftreduzierung“ durch Exoskelette wird bei vielen Tätigkeiten nicht ausreichen, um in den Bereich geringer Belastungen zu kommen (geringes Risiko entsprechend der Arbeitsmedizinische Regel AMR 13.2 und der DGUV Information 207-033).
Es fehlt noch Wissen und Erfahrung zum Einsatz in der Pflege
Hinsichtlich Arbeitsmedizin, Hygiene und Arbeitswissenschaft sind noch einige Fragen offen. Insbesondere sind die Wirkungen der Kraftableitungen durch die Exoskelette auf andere Körperregionen bisher nicht untersucht. Auch fehlen noch Erkenntnisse dazu, welche weiteren Risiken bzw. Gefährdungen entstehen und wie lange sich die Systeme gut tragen lassen.
Solches Wissen ist auch wichtig, um Beschäftigte in der korrekten Handhabung zu unterweisen. Bei vielen Herstellern sind die derzeit mitgelieferten Unterlagen ungeeignet für Anweisungen zum speziellen Einsatz beim Bewegen von Menschen.
lndividuelle Maßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen
Als personengebundene Maßnahme kommt der Einsatz von Exoskeletten erst dann ergänzend in Frage, wenn alle anderen Möglichkeiten (technische und organisatorische) ausgeschöpft sind. In der Praxis wäre das zum Beispiel der Fall, wenn Technische und Kleine Hilfsmittel in allen Situationen in denen Heben notwendig ist, bereits konsequent eingesetzt werden und dennoch ein Restrisiko verbleibt.
Wann der Einsatz von Exoskeletten im Einzelfall vorstellbar ist
Der Einsatz von Exoskeletten wäre unter Berücksichtigung bestimmter Voraussetzungen denkbar für Beschäftigte, die trotz einer anerkannten Berufskrankheit des Muskel-Skelett-Systems im Sinne der Berufskrankheiten-Rechtsreform im Beruf verbleiben wollen und annähernd gefährdungsfrei oder nur im Bereich geringer Gefährdung des Muskel-Skelett-Systems arbeiten dürfen. Die speziellen Gefährdungen für diese besonders schutzbedürftigen Beschäftigtengruppen sind zu berücksichtigen.
Dabei muss jedoch folgendes bedacht werden: Das Tragen eines Exoskeletts kann zwar den Träger oder die Trägerin für physiologische Bewegungen und ggf. für eine Haltungskorrektur sensibilisieren und damit auch ein Bewusstsein für eine günstigere Körperhaltung schaffen, es kann damit aber auch eine Überbewertung der Unterstützungsleistung des Exoskeletts einhergehen. Das kann zu Selbstüberschätzung und zur Überlastung anderer Muskel-Skelett-Bereiche führen.